„Den »klassischen« Antideutschen …ging es nicht um Israel.“

Ausdrücklich nicht aus Anlass seines 65. Geburtstags wird Wolfgang Pohrt von Ofenschlot eine ausführliche Würdigung zuteil. Pohrt gehört neben Eike Geisel zu den (Stil-) Ikonen breiter Teile einer antideutschen Bewegung, die mich ob ihrer eigentlichen Ausgangsfragen und Beweggründe nie völlig kalt gelassen hat – trotz des gigantischen Bullshits, den heutige Granden in die Welt entlassen. Bei Ofenschlot findet sich zur Bewegungsgeschichte der Antideutschen eine so eindrucksvolle wie bedrückende Passage:

Den »klassischen« Antideutschen, jene also, die sich gegen den deutschen Großmachtsnationalismus der 1990er Jahre zuerst formierten, ging es nicht um Israel. Israel war eigentlich völlig uninteressant. Es ging um die (Entlarvung der) deutschen Obsessionen, die sich mit Israel verknüpften: »Eine Israelreise geriet zum Kuraufenthalt, woraus die Deutschen, von ihrer Vergangenheit geheilt, zurückkehrten; die kurze Geschichte Israels wurde zum belebenden Elixier, nach welchem die Zuhausegebliebenen gierig griffen.«2 Es ging um die Schlupflöcher eines Antisemitismus, der offiziell verboten, gesellschaftlich gleichwohl virulent war (immer noch ist) und der sich politisch korrekt nur als Antizionismus artikulieren konnte (es immer noch tut). DIESE politischen Verschiebungs- und Übertragungsleistungen galt es, gerade auch in der Linken, zu decodieren. Von Israel als Vorposten des Westens (Wächterstaat für unser aller Freiheit), als »einzige Demokratie im Nahen Osten«, als »bewaffneten Versuch der Juden, den Kommunismus lebend zu erreichen« (ISF Freiburg), selbst von Israel als »Staat der Überlebenden« war nicht die Rede. Zumindest eine zeitlang nicht: Übergänge zur unbedingt positiven Besetzung des linksdeutschen Israel-Bildes mag man schon in den Debatten den frühen 1990er Jahre finden – etwa wenn man jede Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung unter Antizionismus- vulgo: Antisemitismus-Verdacht gestellt hat.

Abgesehen davon, dass mir die ewige, mittlerweile scheint’s reflexartige Verschwurbekung von Antizionismus und Antisemitismus gehörig auf den Keks geht, macht mich diese Passage recht nachdenklich: Von den „klassischen“ zu „heutigen“ Antideutschen- nennt man so eine Entwicklung nicht „Verbroderung“?

Bevor ich’s vergesse: Soeben ist in der Edition Tiamat eine Sammlung von Schriften und Reden Pohrts erschienen. Werde ich mir zum Geburtstag wünschen…

2 Gedanken zu “„Den »klassischen« Antideutschen …ging es nicht um Israel.“

    1. Nachdem ich mich nur mit Mühen von diesem brachialhumoristischen Pressschlag habe erholen können, bleibt mir nur zu sagen, dass ich diese Diskussion um Broder sehr spannend fand – und damit meine ich nicht meine Einlassungen. Autonomer war ich nie – ich komme eher aus den Reihen der christlich bewegten Friedensbewegung, so dass mich Deine Äußerungen echt betroffen machten ;-))).

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