Das Grundrecht auf Sehnsucht nach dem Heiligen

Eine große Schwäche im sich links verstehenden, säkularistischen Diskurs, liegt oft im Übergehen der Tatsache, dass jeder Mensch ein Grundrecht auf Glauben hat. Gemeint ist damit nicht bloß das Recht auf freie Meinungsäußerung oder der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft, gemeint ist damit gerade auch die Würdigung des Umstandes, dass sich Menschen oft nach jenem sehnen, was sie als heilig, d.h. als unbedingt zu verteidigen und hochzuschätzen, ansehen. Ob gläubig oder ungläubig, ob fest im (Un-)Glauben oder (un)freiwillig zwischen den Stühlen und Gezeiten, der Mensch hat Sehnsucht nach Transzendenz, nach jenem, was hinter bzw. zwischen den Dingen zu finden sein mag. Bedeutsam erscheint mir die These, dass Religiosität bzw. die Frage von Glauben bzw. Unglauben am ehesten unter säkularen Bedingungen zur Geltung und Sprache gebracht werden kann. Im Profanen ereignet sich das Heilige. Dabei ist zu berücksichtigen, um mit Walter Benjamin („Theologisch-politisches Fragment“) zu sprechen:

Erst der Messias selbst vollendet alles historische Geschehen, und zwar in dem Sinne, daß er der dessen Beziehung auf das Messianische selbst erst erlöst, vollendet, schafft. Darum kann nichts Historisches von sich aus sich auf Messianisches beziehen wollen. Darum ist das Reich Gottes nicht das Telos der historischen Dynamis; es kann nicht zum Ziel gesetzt werden.

Was Hartmut hier anmerkt – er bezieht sich Diskurse, die in linken Milieus im Allgemeinen -, deckt sich im Großen und Ganzen mit Ideen, wie sie mir schon länger – ich beziehe mich ja eher auf das, was so gerne wie fälschlich Nahost-Diskurs genannt wird – im Kopf herumschwirren:

In religiösen Diskursen muss man zwei Dinge herstellen: Heilige und Teufel. Für Politreligionen bedeutet das: Es müssen Projektionsobjekte her und Gegner. Heilige bieten sich zahllos an: die Arbeiterklasse insgesamt, die Avantgarde der Arbeiterklasse (also „Arbeiter“ aka Intellektuelle, die mit dem Numinosen Kontakt hatten, tiefere Einsicht erfuhren), Randgruppen (was bekanntlich bei der Formierung der RAF eine große Rolle spielte), Frauen, Trikont, Palästina, Juden – wer auch immer, jedenfalls Leute, deren Interessen bildungsprivilegiert aufgewachsene bürgerliche Intellektuelle auszuformulieren vorgeben. Heilige sind bekanntlich rein und unschuldig, und so muss – denn per 2010 gibt es natürlich keine geschichtliche Unschuld – diese Reinheit gewaltsam verfügt werden. Als primäre Gegner werden, nur vordergründig überrascht das, dann ganz konsequent gar nicht so sehr die realen Gegner wahrgenommen – sondern jene, die das schmierige Projektionsspiel demaskieren.

Oft ist es ärgerlich, wenn sich etwa selbsternannte Verteidiger Israels aufspielen als oberste Richter über das, was gut und flasch sein zu sein hat, u.a. auch deshalb weil Verbrechen israelischer Palästinenserpolitik entweder ignorirt oder schöngeredet werden bzw. der unerträgliche antiarabische Rassismus zahlreicher besonders besorgter Israel-Fans auch noch goutiert wird. Vielleicht sollte man sich der Definition für den Begriff der Religion erinnern, die von dem großen katholischen Theologen Johann Baptist Metz geprägt wurde: Religion ist Unterbrechung. Falsch verstanden, bedeutet das: Die Unterbrechung rationalen Denkens und die Akzeptanz dessen, was man ansonsten zutiefst ablehnt. Wie in diesem Blog gelegentlich zur Diskussion gestellt, haben viele „Nahost-Interessierte“ (W. Rösch-Metzler) ein ziemlich religiöses Verhältnis zu Israel bzw. Palästina – und das wird ein Problem, wenn dies zur Unterbrechung eines auf Humanität und Kritik angelegten Denkens führt. Das dies schon häufig geschehen ist, bedarf keiner weiteren Anmerkung.

Und noch ein Gedanke: Letzten Sonntag hat der Betreiber eines unter der Flagge des Atheismus‘ geführten Blogs das Ende desselben verkündet. Mir war dieser sog. Blasphemieblog nicht wirklich geheuer gewesen, und das liegt nicht daran, dass ich mich in meinem versuch, glauben zu wollen, verletzt gesehen hätte. Mich ekelte der in besagtem Blog gepflogene Heilstriumphalismus, diese Sieges- und Heilsgewissheit, die in zahllosen Beiträgen und Kommentaren zum Ausdruck kam, schlichtweg an. Ja, es gibt ihn: Den missionarischen Atheismus, und wie jeder religiöse Fundamentalismus bringt mich auch der antireligiöse Fundamentalismus einfach nur zum Kotzen. Und somit trauere ich dem Blasphemieblog mit nicht einer Träne nach.

39 Gedanken zu “Das Grundrecht auf Sehnsucht nach dem Heiligen

  1. Man muss dazu sagen, dass aggressive Selbstbehauptungen natürlich allerorten zu finden sind. Bei der Linken ärgerts mich, weil die Linke sozusagen noch gebraucht wird. Wenn mir ein Fundamentalkathole ewige Verdammnis ankündigt, kichere ich bloß. Aber wenn die linken Suppenkasper sich gegenseitig als „Faschos“ o.ä. fertigmachen, weil Grüppchen A Grüppchen B unterstellt, die hätten MEW Band 23 S. 177 nicht richtig verstanden, wirds ärgerlich.

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    1. In diesem Zusammenhang erinnere ich an mein (kath.) Theologiestudium Mitte der 90er Jahre in Münster. In der Fachschaft gab es die Liste „Fachschaftsinitiative Theologie“, die gerne Lektürewochenende zu Marx, Fanon und diversen Befreiungstheologen abhielten. Niemand drohte da mit ewiger Verdammnis, aber wer beim kritisch-theoretischen Namedropping nicht mithalten konnte, befand sich bereits im Exil. Menschlich näher kam man sich erst, nachdem man sich gegenseitig bei McDonald’s erwischt hatte – in der Kundenschlange, nicht beim Ausgießen der Toilettenbecken mit Beton.

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      1. Bruharhar! Ja, ich war auch „noch nie“ bei MacDoof… 😉

        Bei den Philos wars schon etwas anders: na klar gabs immer noch die Marxologen, auch linke Gruppen, aber damals war Postmoderbne at its best. Ich selber fand die Analytiker Klasse: Unorganisiert und künstlerisch wild war ich selber, und so hielt ich mich an Tugendhat/Wolf, Von Kutschera und andere.

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  2. Wer Schwulen „aggressive Selbstbehauptung“ VORWIRFT, hat schlicht ein paar vor die Fresse verdient und sonst gar nichts. Stonewall war wenigstens mal ein Coup, objektiv von links. Was zum Glaubensthema eben auch dazu gehört, sag ich mal als Protestant: Problem ist ja weniger, was wer so alles für sich spirituell erfährt, sondern die Art und Weise, wie man Anderen Lebensformen, Diskursmodi und -inhalte vorschreiben will. Und angesichts dessen, was Evangelikale in Uganda treiben, ist es einigermaßen albern, sich über Namedropping in Seminaren zu ereifern, pardonnez-moi. Was eben auch dazu gehört, das zu diskutieren, wenn man gegen Atheismus wettert.

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    1. Naja albern… aber Du hast recht: Es geht um die praktische Umsetzung von Überzeugungen, um die Übertragung von Erfahrungen, die man in spiritueller Tiefe u.U. gemacht hat, in die profane Welt. Es geht auch um die Überzeugung, dass, was für einen selbst gut, vielleicht sogar heilig ist, für andere nicht schlecht sein muss. Und ja: Das Grauen findet sich genau da: Heilstriumphalismus und eine falsche, d.h.: nicht gelassene und nicht zulassende, Zuversicht führen zu Intoleranz, Identitätstümelei – und das bedeutet: Gewalt.
      Evangelikale Schwulenfeinde sind mir genauso ein Dorn im Auge wie ihre katholischen Pendents – Deinen Alarmismus kann ich dennoch nicht teilen.

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      1. Na ja, wenn man sich die Entwicklungen auch in den USA an guckt (da kommen ja die Gelder her, die Schwulenhatz in Uganda finanzieren), besteht aller Grund zu Alarmismus. Ich finde ja Glauben auch wichtig, aber da, wo er politisch wird, wird es schnell ganz finster. Und „Namedropper“ haben bisher eher wenig Unheil, was die Breitenwirkung betrifft, angerichtet. Und selbst die theorielastigsten ’68er haben für eine gesellschaftliche Liberalisierung GEGEN die Kirchen gesorgt.

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    2. Ich schrieb: „Man muss dazu sagen, dass aggressive Selbstbehauptungen natürlich allerorten zu finden sind. Bei der Linken ärgerts mich, weil die Linke sozusagen noch gebraucht wird. Wenn mir ein Fundamentalkathole ewige Verdammnis ankündigt, kichere ich bloß. Aber wenn die linken Suppenkasper sich gegenseitig als “Faschos” o.ä. fertigmachen, weil Grüppchen A Grüppchen B unterstellt, die hätten MEW Band 23 S. 177 nicht richtig verstanden, wirds ärgerlich.“ Daraus macht momorulez, per „“ unverkennbar als Zitat gekennzeichnet, im Post, der auf meinen folgt, Folgendes: „Wer Schwulen “aggressive Selbstbehauptung” VORWIRFT, hat schlicht ein paar vor die Fresse verdient und sonst gar nichts.“ – es gibt eine Art böswilligen Missverstehens, mit der ich mich nicht mehr auseinandersetze. Das, was Momo hier daherlallt, hat auch mit Kritik nichts mehr zu tun.

      Meine Haltung zu Minderheiten – zu allen Minderheiten resp Benachteiligten – ist in meinen Blogs in den vergangenen Jahren und in meinen Printveröffentlichungen vorher genauestens dokumentiert; ich habe es nicht nötig, auf solcherart Anklagen eines dahergelaufenen Anonymus inhaltlich zu antworten. Dafür habe ich, der schon zu Hoch-Zeiten des Neoliberalismus mit Klarnamen gegen den Mainstream geposted und geschrieben hat, genug Nachteile deswegen erleben dürfen; auch solche beruflicher Art.

      Ich rede mit „Momorulez“ nur noch, wenn er sich denonymisiert! Ansonsten kann er, womöglich gemeinsam mit Isi (auch so ne Krachkopeike, passt wie Arsch auf Eimer!) lallen, was er will: ich kenne ihn nicht.

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        1. dem Plenum muss man schon erklären, dass – peinlich! – auf seinem Blog, von ihm inauguriert, Anti-Hartmut-threads ellenlang statthatten, threads in denen ich mit dem Wannseeprotokoll konnotiert wurde und Isi ihre letzten Siege feiern konnte. (Momorulez setzt sich also jeden tag mit mir auseinander. Dass ich ihn nicht interessiere ist glatt gelogen. Aber wann lügt er nicht…)

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          1. Du kannst mir Deine narzißtischen Schübe gerne weiter ins Blog kotzen, in Dein eigenes oder sonstwohin, aber laß Mondo doch mit Deinen Verdrehungen, Lügen und Idiotien bitte in Ruhe, ja?

            Mondo, ich würde Dich bitten, solche falschen Tatsachenbehauptungen zu löschen. Kannst mich gleich mit löschen. Wer überprüfen möchte, welche vermeintlichen „Anti-Hartmut-Threads“ sich in meinem Blog befinden kann ja da nachlesen.

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              1. „Rechtssichere Screenshots“ von was denn? Steht doch bis auf nächtliche Ausfälle Deinerseits alles noch da und den juristischen Hick Hack mit Isi. Kann ich doch nix für, wenn Du alles als Aussage über Deine Person rezipierst. Schlimm. Lügen wirst Du da keine finden. Und bitte Mondo nicht nerven.

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                1. Der Ernst…äh…Momo glaubt wohl, was er labert. ich sprach von Konnotationen. Das mir das Wannsee-protokoll reingewürgt wurde – natürlich, hähähä, nicht im behauptenden Modus – , ist unstreitig. Ich finds interessant, dass Ernst Röhm…äh…Momo, verzeihung, hier die miesesten Tricks rechts-bürgerlicher Wirtschaftsanwälte/Rechtsverdreher/Rechtsanwälte in Anschlag bringen muss. Würde man in einem Erbrechtsstreit mit genau diesen Anwaltstricks operieren, um einem erbberechtigten Schwulen um sein Erbe zu bringen…Momo würde aufheulen vor (gespielter?) Empörung!

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  3. „Mich ekelte der in besagtem Blog gepflogene Heilstriumphalismus, diese Sieges- und Heilsgewissheit, die in zahllosen Beiträgen und Kommentaren zum Ausdruck kam, schlichtweg an. Ja, es gibt ihn: Den missionarischen Atheismus, und wie jeder religiöse Fundamentalismus bringt mich auch der antireligiöse Fundamentalismus einfach nur zum Kotzen. Und somit trauere ich dem Blasphemieblog mit nicht einer Träne nach.“

    Oh, wirklich. Heilstriumphalismus? Was hat denn dieser wohl mit Atheismus zu tun? Was soll ein missionarischer Atheismus sein? Und warum findest Du diesen, in die Existenz postulierten, zum Kotzen? Findest Du alle Widerworte zum Kotzen? Ist eine Aussage, die als religiös tituliert wird, automatisch von jeder Kritik ausgeschlossen?

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    1. Danke für Deine Toleranz, Dein Verständnis und Deine Fähigkeit zum Perspektivwechsel. 😉
      Jetzt aber mal im Ernst:
      Wie schon der Name des Blogs, den Du hier repräsentierst, suggeriert: Glaube ist eine Krankheit – und eine Krankheit soll geheilt werden. Mein Lieber, der erste Schritt zum Heil(ung)striumphalismus ist gemacht. In der Stadt, in der ich wohne, prangt an der Häuserfront an einer viel befahrenen Straße der Spruch: „Jesus Christus ist Heil“. Das ist missionarisch, oder? Dein Bemühen liegt offenkundig darin, alle von der Krankhaftigkeit von Glauben zu überzeugen. Darin besteht Deine Mission. Von Sendung möchte ich hier nicht sprechen, denn Du bist ja ausdrücklich nicht gesandt. Das gilt es von mir anzuerkennen. Aber: Deine Unterstellung, jegliches Widerwort empfände ich als Zumutung, geht an der Sache vorbei, vermutlich soll es das auch, hm?
      Vielleicht brauchst Du Deinen Atheismus, um Dir selbst die Pose des widersprechenden, kritischen Denkenden zu verleihen… Das aber hat der Atheismus nicht verdient.

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      1. Was hast du gegen diesen Blog überhaupt? Atheisten dürfen doch auch mal über religiöse Menschen lachen – oder nicht? Das machen religiöse Menschen doch auch oft genug!
        Definition von Blasphemie laut wikipedia:
        Blasphemie (altgr. ἡ βλασφημία, τῆς βλασφημίας – blasphêmía – die „Rufschädigung“, zusammengesetzt aus βλάπτειν – bláptein – „Schaden bringen, benachteiligen“ und ἡ φήμη – phếmê oder dorisch ἡ φάμα – pháma – „die Kunde, der Ruf“) bezeichnet ursprünglich eine „Gotteslästerung“. So nennt man das öffentliche Leugnen, Verhöhnen oder Verfluchen
        bestimmter Glaubensinhalte einer Religion.
        Atheisten Leugnen den religiösen Glauben – da sie Atheisten sind und nicht an irgendeinen Gott glauben – und? Hast du ein Problem damit? verquer’s Atheismus ist ein ganz normaler Atheismus, wie ihn die meisten Atheisten pflegen…
        „und das liegt nicht daran, dass ich mich in meinem versuch, glauben zu wollen, verletzt gesehen hätte.“ – Warum mokiert man sich denn sonst über so etwas? Warum erwähnst du ihn dann hier, wenn er dir dann ja eigentlich egal sein müsste? Für mich sieht das wie Schadenfreude aus…
        „Den missionarischen Atheismus, und wie jeder religiöse Fundamentalismus bringt mich auch der antireligiöse Fundamentalismus einfach nur zum Kotzen.“ – Laufen wir von Haus zu Haus wie die Zeugen Jehovas? Unterhalten Atheisten eigene Schulen? „antireligiöser Fundamentalismus“ – du meinst also Leute, die auf der Seite dieses Blogs stehen sind antireligiösen Fundmentalisten? Weil du denkst wir hätten einen Hass gegenüber religiösen Menschen? Du hast damit so was von unrecht – für viele, wenn nicht gar für die meisten, Atheisten spielt die Religion des gegenübers in der realen Welt keine wirkliche Rolle – wie wäre es sonst zu erklären, das ich mich mit einem siebten Tag Adventisten, der die Evolution leugnet, perfekt verstehe und mit ihm Witze über den Atheismus machen kann?
        wikipedia:
        „Im weitesten Sinne wird als fundamentalistisch eine religiöse oder weltanschauliche Bewegung bezeichnet, die eine Rückbesinnung auf die Wurzeln einer bestimmten Religion oder Ideologie fordert, welche notfalls mit radikalen und teilweise intoleranten Mitteln durchgesetzt werden soll.“
        Und welche Mittel verwenden Atheisten um ihren Nichtglauben radikal zu verteidigen? Also ich habe noch nie von einem Atheisten gehört, der einen Gläubigen wegen seines Glaubens umgebracht hätte…
        Ich zitiere jetzt aus dem „Manifest des evolutionäre Humanismus“ der GBS, an die sich viele Atheisten halten:
        „2. Verhalte dich fair gegenüber deinem Nächsten und deinem Fernsten!“
        „6. Immunisiere dich nicht gegen Kritik! Ehrliche Kritik ist ein Geschenk, das du nicht abweisen solltest.“
        „7. Sei dir deiner Sache nicht allzu sicher! Zweifle aber auch am Zweifel! Selbst wenn unser Wissen stets begrenzt und vorläufig ist, solltest du entschieden für das eintreten, von dem du überzeugt bist. Sei dabei aber jederzeit offen für bessere Argumente, denn nur so wird es dir gelingen, den schmalen Grat jenseits von Dogmatismus und Beliebigkeit zu meistern.“

        „Und somit trauere ich dem Blasphemieblog mit nicht einer Träne nach.“ – Warum nachtrauern? Der Blasphemieblog lebt…
        https://blasphemieblog2.wordpress.com/

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        1. Ach, den gibt’s doch noch? Sorry, mein Fehler… Wikipedias Definition von Fundamentalismus in allen Ehren, aber die Art und Weise wie sich Fundamentalismus äußert, ist nicht nur für die Sphäre des Glaubens reserviert.
          Und was das Recht, über Glaubende zu lachen, angeht: Dieses Lachen über anderer Menschen Glauben bzw. Unglauben ist mir einfach zutiefst ideologieverdächtig. Ich will damit auch gar nicht meinen eigenen Glauben, der eher ein Glauben-Wollen ist, über anderer Leute Entscheidungen zum (Un-)Glauben stellen. Mir geht es nur darum, dass im postreligiösen Zeitalter (quasi-)religiöses Eiferertum sich einfach andere Orte der Entfaltung gesucht hat – einer dieser Orte ist der allzu selbstgefällig vorgetragene, schier unverrückbare, Unglaube. Wie kann man sich nur so sicher sein?

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          1. Na, das mit dem „postreligiösen Zeitalter“ ist aber etwas sehr gewagt. Ich finde auch nicht, daß man sich über individuelle Glaubenssuche lustig machen sollte – was ich in den Blogs gelesen habe, war aber eher ein Karrikieren institutionsgebundener Eiferer und so ungelungen nun auch nicht. Immerhin wollen Kirchen und TV-Pfaffen weltweit ständig irgendwelche Leute heilen, immerhin fühlen die sich in ihren „religiösen Gefühlen verletzt“, wenn gleichgeschlechtlich geknutscht wird, und heute abend bekommen sie ein millionenbudgetiertes Melodram im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das den Trailern zufolge die Katholische Kirche zu Zeiten des Faschismus rein waschen soll. Man beschäftige sich mal mit Franco. Derartige Produktionen habe ich über Magnus Hirschfeld oder schwule KZ-Opfer noch nicht gesehen. Und warum wohl? Die machen sich in Rundfunkräten breit, in Verfassungsgerichten, und wir haben zwei große, christliche Parteien. Also, postreligiös sieht anders aus.

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          2. „Und somit trauere ich dem Blasphemieblog mit nicht einer Träne nach.“

            Tja, wohl ein Fall von „zu früh gefreuht“. Pech…

            „Dieses Lachen über anderer Menschen Glauben bzw. Unglauben ist mir einfach zutiefst ideologieverdächtig.“

            Wenn du Lachen über die irrwitzigsten und in sich widersrpüchlichen Wahnvorstellungen anderer als Ideologie verdächtigst, ist das zwar unsinnig, aber es sei dir unbenommen. Man hat hat schließlich das Recht, so allerlei Verdächtigungen zu äußern.
            Und ein geäußerter „Verdacht“ ist immer noch weniger schlimm, als die früher geübte Vorgangsweise, die über Religion lachenden Menschen so lang zu foltern, bis ihnen das Lachen verging und sie anschließend auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen.

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              1. Und jetzt soll ich mich wohl rechtfertigen für die Schweinereien des Vatikan? Was?
                Bin sehr erstaunt über die in einigen Kommentaren zutage tretende, mangelnde Bereitschaft, zwischen Religiösität und Institutionalismus zu unterscheiden.

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                  1. Ich teile Dein Verständnis von „postreligiös“ nicht so ganz. Die von vielen konstatierte „Rückkehr des Religiösen“ begreife ich eher als eine Rückkehr des Reaktionären. Als katholisch glauben Wollender bin ich durch diese andauernd aktivierte Schere im Kopf – Religion/Glaube oder Institution? – natürlich besonders betroffen, man könnte auch sagen: „gekniffen“. Ein Großonkel von mir war Priester – und wurde von seinem Bischof zwangsversetzt, in die damalige DDR. Gebiete Mecklenburg-Vorpommerns gehörten ja bis 1994 zum Bistum Osnabrück. In den 50ern – noch vor dem Mauerbau also – wurde mein Großonkel abkommandiert, weil er bei der Spendung des Bußsakraments zu „verzeihend“ gewesen sei. Er lebte in einem kleinen Dorf in der Nähe von Schwerin und war natürlich als Pfarrer nicht der beliebteste Mensch in der „Zone“, im Gegenteil. Als die Grenze zugemacht und auch als die Berliner Mauer errichtet wurde, weigerte sich der Bischof von Osanbrück, meinen Großonkel zurückzubeordern… es wäre möglich gewesen. Nicht dass ich Dich nun hier auf irgendeine Weise überzeugen möchte – mir geht es nur darum, dass mir die Unterscheidung zwischen Glaube und Institution sehr wohl bewusst ist.

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                    1. Weiß ich doch (hier ganz schmal werdend) – ich habe selbst in der ev. Kirche Jugendarbeit gemacht. Und seit ein paar Jahren wird trotzdem immer Angst und Bange, wenn ich mir angucke, wie insbesondere die Evangelikalen mobilisieren und alle glauben, die Macht der Kirchen sei irgendwie weg.Dabei habe ich die selbst beruflich schon zu spüren bekommen. Glaube deshalb schon, daß man da die Frage nach der Skepsis dem Atheismus gegenüber da nicht völlig abkoppeln kann von diesen ganz realen Prozessen.

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                    2. Hast ja nicht unrecht… Wenn es mal wieder „dicker“ kommt, kannst Du mir ja mal erzählen, wie Du „Evangelikale in Action“ hast erleben müssen.

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            1. @ Time Flies
              Du liebe Güte, wenn das die einzige Legitimation ist, die es für Häme und Intoleranz, nämlich, dass Kirche früher – und auch heute noch! – selber intolerant sind, dann bin ich über den gegenwärtigen Stand atheistischer Geistesbildung mehr als besorgt. Dann müssen wir uns über den aufklärerischen Wert von Unglauben bzw. Zweifeln auch nicht mehr unterhalten.

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              1. 1) Wo genau habe ich „Häme und Intoleraz“ mit der Intoleranz der Kirche legitimiert?

                2) Für Gläubige ist es offenbar bereits intolerant, wenn Andersdenkende nicht „die Klappe halten“. Für Nichtgläubige hingegen ist das schlicht die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Keiner muss den Blasphemieblog lesen, wenn er nicht möchte.

                3) Atheistische Geistesbildung: Was soll das denn sein? Atheismus beantwortet genau eine Frage, nämlich, ob man an eine Existenz übernatürlicher Wesen und Vorgänge glaubt. Wer diese Frage mit „nein“ beantwortet, ist Atheist. Daraus folgt nichts weiter.
                Und es steht Religiösen NATÜRLICH frei, darüber ebenfalls zu lachen und Scherze zu machen! Oftmals mangelst es jedoch an entsprechendem Humor.

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                  1. Du musst aber doch selbst zugeben, das Atheisten nicht wirklich viel gemeinsam haben, eigentlich gar nichts (außer das sie an keinen Gott glauben) gemeinsam haben, deswegen gibt es nicht „die Atheisten“ – es gibt nur evolutionäre Humanisten, Liberalisten, Freidenker, Brights, wobei selbst diese Gruppen nicht wirklich viel mehr Gemeinsamkeiten haben, deswegen, pass bitte auf mit dem Begriff „Atheismus“ – er bezeichnet keine Glaubensgemeinschaft, sondern nur Leute, die ein kleine Tatsache gemeinsam haben – genauso wie der Begriff „Nichtraucher“…

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      2. @mondoprinte

        „Danke für Deine Toleranz, Dein Verständnis und Deine Fähigkeit zum Perspektivwechsel.“

        Wo genau bin ich intolerant, zeige wenig Verständnis oder vermisse die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel? Ach, war nur ein Scherz? Na gut. Dann brauchst Du das natürlich nicht zu belegen. Ich verstehe Deine Perspektive durchaus und weiss auch worauf diese beruht: Unwissenheit.

        Wenn man nicht fragt, sondern einfach nur unterstellt, dann argumentiert man zu meist gegen Strohmänner. Dir mag es ja Spaß machen, die Gegenseite (un?)absichtlich falsch darzustellen, aber zu einer redlichen Diskussion gehört diese Strategie sicherlich nicht. Nehmen wir doch das erste Beispiel:

        „Wie schon der Name des Blogs, den Du hier repräsentierst, suggeriert: Glaube ist eine Krankheit – und eine Krankheit soll geheilt werden. “

        Glückwunsch. Das suggeriert der Name tatsächlich. Aber habe ich mich aus dem Grunde für den Namen entschieden? Dir wird es vielleicht nicht bewusst sein, aber in manchen evangelikalen und katholischen Kreisen wird Homosexualität als Krankheit angesehen und geschlussfolgert „HS ist heilbar“. Der Name meines Blogs ist eine Persiflage eben darauf.

        Aber ist Glaube nun eine geiste Krankheit? Schwierige Frage. Nehmen wir doch mal folgende Beispiele:
        „Jesus spricht zu mir“ – gesund?
        „Jesus spricht zu mir durch meinen Toaster“ – krank?
        Warum soll jetzt gerade der Toaster, der nun wirklich nichts mit der eigentlich Sache zu tun hat, den Unterschied machen?

        Ob der allgemeine Glaube sinnvollerweise als Krankheit einzustufen wäre, weiss ich nicht. Es gibt jedoch erstaunliche Parallelen. Diese zB: Wie kann ein Gläubiger seinen Glauben eigentlich von einer Phantasie/Wahnvorstellung unterscheiden?

        „Mein Lieber, der erste Schritt zum Heil(ung)striumphalismus ist gemacht.“

        Tolles Wort. Benutzt Du dieses auch häufiger in politischen Diskussionen? Wenn nein, warum nicht?

        „ein Bemühen liegt offenkundig darin, alle von der Krankhaftigkeit von Glauben zu überzeugen. Darin besteht Deine Mission.“

        Offenkundig? Wieder so ein Strohmann. Ich weiss sehr genau, dass ich niemanden mit meinem Blog von seinem Glaube abbringen werde und soviel geistige Gesundheit, dass ich mir nicht etwas Unmögliches als „Mission“ heraussuche, darfst Du mir ruhig unterstellen. Unmögliches zu fordern und zu bestrafen, wenn man das Ziel nicht erreicht, überlasse ich den Religionen. Selbiges gilt für das „Glaube ist eine Krankheits“ Mem. Ich bestrebe sicherlich nicht danach, alle von diesem zu überzeugen.

        Sag mal: Kann es sein, dass Du Dir wirklich nur den Titel meines Blogs gelesen hast?

        „Aber: Deine Unterstellung, jegliches Widerwort empfände ich als Zumutung, geht an der Sache vorbei, vermutlich soll es das auch, hm?“

        Wie kommst Du nun wieder auf diese Unterstellung? Ich habe gefragt und mit dieser Frage wollte ich Dich auf den doppelten Maßstab hinweisen, den Du vermutlich an religiöse und nicht-religiöse Themen ansetzt.

        „Vielleicht brauchst Du Deinen Atheismus, um Dir selbst die Pose des widersprechenden, kritischen Denkenden zu verleihen… Das aber hat der Atheismus nicht verdient.“

        Das Wort „Atheismus“ wird sicherlich in mehreren Bedeutungen gebraucht. Ich benutzt dieses im engeren Wortsinn: Ein Atheist ist jemand, der nicht an Gott glaubt.“ Offensichtlich kann in dieser Bedeutung der Atheismus nichts „verdienen“.

        Aber wieder benutzt Du eine Unterstellung und in diesem Fall sollte diese auch Dir offensichtlich sein. Solch eine Ferndiagnose ist nun wirklich ein Paradebeispiel für einen Strohmann.

        Insgesamt benutzt Du übrigens einen logischen Fehlschluss, der im Englischen als „fallacy of middle ground“ bekannt ist. Offenbar scheinst Du zu glauben, dass weder die religiösen Fundis noch die „atheistischen Fundis“ recht haben und die Wahrheit (oder die beste Kommunikationsstrategie) irgendwo in der Mitte wäre. Aber wenn eine Seite behauptet, dass 1+1=3 wäre und die andere entgegnet, dass 1+1=2 ist, dann liegt die Wahrheit nicht in der Mitte.

        Ausserdem verwechselst Du Leidenschaft für ein Thema mit blinden Dogmatismus. Sicherlich teilen wir Antitheisten, die Leidenschaft mit den Fundis, aber nicht deren Dogmatismus.

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  4. Ich bin Agnostiker, der nicht mehr glauben kann/will, aber ich kann mit Deinen Ausführungen gut leben. Wunderbar das Benjamin-Zitat
    „Darum kann nichts Historisches von sich aus sich auf Messianisches beziehen wollen. Darum ist das Reich Gottes nicht das Telos der historischen Dynamis; es kann nicht zum Ziel gesetzt werden.“
    Schade, dass man dies nicht in die Köpfe der Esel des Messias nicht hineinbekommt. Hier ein Beispiel aus jüngster Zeit: http://von-den-einzigwahren-freunden-israels.blogspot.com/2010/10/herbert-eiteneier-aka-heplev-erklart.html

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