Noam Chomsky: Was mit der Angst vor dem Islamismus eigentlich gemeint ist

Vertreter der sog. „westlichen Demokratien“ und der als respektabel und vertrauenswürdig geltenden Meinungsleitmedien bekleckern sich nicht gerade mit Ruhm, wenn es um den Umgang mit den gegenwärtigen revolutionären Ereignissen in Ägypten geht. Auch die Sprachspiele, die mitunter getrieben werden, könnten offensichtlicher kaum sein: Immer wieder ist von Israel und dessen als berechtigt dargestellten Sorgen angesichts der Geschehnisse im südlichen Anreinerstaat die Rede. Fungiert Israel nicht als ein Synonym für „westlich-postdemokratische Hegemonie“? Und wenn im nächsten Atemzug von der drohenden Gefahr einer islamistischen Machtübernahme schwadroniert wird – verschleiert man hier nicht eine ganz andere Angst, welche US-Regierende and friends eigentlich umtreibt?
Noam Chomsky macht es in seinem jüngsten Guardian-Artikel ganz deutlich: Die Bedrohung besteht nicht im Islamismus – warum hat man sich nicht schon längst aus der Verbindung mit Saudi Arabien gelöst? Das Problem ist altbekannt:

The general threat has always been independence. The US and its allies have regularly supported radical Islamists, sometimes to prevent the threat of secular nationalism.

Nicht dass Chomsky diese Interpretation westlicher Realpolitik nicht schon seit Jahr und Tag öffentlich geltend zu machen versucht. In einem furiosen Blog-Artikel dokumentiert Ghassan, dass sie noch nicht zu allen Beobachtern der Geschehnisse im Nahen und Mittleren Osten vorgedrungen ist. Warum? Weil Chomsky Jude ist? Und Israel-Kritiker?

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11 Gedanken zu “Noam Chomsky: Was mit der Angst vor dem Islamismus eigentlich gemeint ist

  1. Die Spitze der Ironie ist, dass saudische Funktionäre gegenüber der amerikanischen Regierung ihre Besorgnis über eine mögliche Machtergreifung durch Islamisten in Ägypten ausgedrückt haben.
    Das islamistische Saudi-Arabien besorgt über ein möglicherweise islamistisches Ägypten… gehts noch absurder?

    Und danke dir vielmals für die netten Verweise auf mein Blog. 🙂

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    1. So wie es seltsam ist, dass die einzige Demokratie im Nahen Osten Angst vor der Demokratie in arabischen Anreinerstaaten hat, entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, wenn das Musterland in Sachen Steinzeit-Dhimmikratie Angst vor dem Islamismus hat.

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  2. ein wesentlicher Punkt dürfte für die Israelis sein, was an der Grenze Gaza-Ägypten passieren wird.
    Wenn die ägyptische Revolution sich durchsetzt, und sie sich treu bleibt, wird das nicht so bleiben, wie es ist.
    Siehe die Explosion an der Gas-Pipeline im Sinai.
    Israel müsste sich also substantiell bewegen, und die Gaza-Blockade vernünftig handhaben.
    Da 80% der Leute in der israelischen ‚Demokratie‘ die Blockade unterstützen, erscheint mir das unwahrscheinlich.

    Wenn das neue Ägypten klug agiert, bildet es zügig eine Allianz mit der Türkei.
    Sehr unangenehm für Israel.

    mE ein wesentlicher Grund, weshalb USA/Israel auf Zeit spielen und Mubarak künstlich beatmen, solang es geht.
    Und Merkel dazu:
    „Deshalb ist Deutschland Israel zutiefst verpflichtet“
    sagt ja schon alles.

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    1. Hallo! Danke für Deinen Eintrag. Du schreibst:

      Israel müsste sich also substantiell bewegen, und die Gaza-Blockade vernünftig handhaben.

      Könntest Du erklären, was Du meinst mit „vernünftig handhaben“?

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      1. Ja, ich weiss, hätte das zumindest in Anführungszeichen setzen müssen.
        Die Israelis betreiben mit Gaza, wie Naomi Klein sagt, ein Freiluftgefängnis, um ihre Technologie für gated Communities zu testen.
        Das ‚vernünftig‘ handhaben bezog sich hptschl auf die Hilfsflotten, Hilfsgüter über Land, Baustoffe, Geldverkehr etc.

        Was nicht passieren wird, weil es den längerfristigen Interessen Israels widerspricht.
        Schon klar.
        Versteh‘ es also als rhetorischen Kniff, um das Verrückte der Lage rauszustellen.

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      2. Möglicherweise verstehst Du ‚mich‘ nicht.
        Was ‚rational‘ geschehen wird, ist nicht, was sein sollte!
        ‚Ich‘ bin da aussen vor.
        Was passieren wird, ist nicht, was passieren sollte.

        ‚Ich‘ bin betrübt, wenn ‚Du‘ das nicht verstehst!

        Hoffe, ‚ich‘ habe die Apostrophe diesmal richtig gesetzt.

        Update 20110212:
        Ein möglicher Rückschritt.

        ‚Ich‘ erspare ‚Dir‘ ein Schwadronieren über den Weltgeist.
        Obwohl er tätig ist, und ‚wir‘ uns fragen müssen, wohin er weht, und ob das Viscerale seine Heimat ist.
        Hoffentlich nicht.

        Ein Minimümchen Verstand oder Vernunft– ist das zuviel verlangt?

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  3. Ich halte den Beitrag von Chomsky ehrlich gesagt für nicht allzu gut. Er übersieht die beiden folgenden Punkte:
    1. Die Tradition der Zusammenarbeit zwischen dem Westen und dem Islamismus (Muslimbrüder, Jama’at-e Islami in Pakistan und Bangladesch, Nadhatul Ulama in Indonesien), die bis heute fortdauert. Man hat sogar einen Nachfolger für Al Qaida gefunden, nämlich Jundullah, die man gegen den Iran und die pakistanischen Schiiten unterstützt.
    2. Die enge Verbindung, die es zwischen dem ägyptischen Regime und den Islamisten gibt. (näheres hier in einem Kommentar von Hossam Tammam erschienen in al masry al youm) Wenn sich keine islamistische Gruppe für einen sofortigen Umsturz, sondern für eine allmähliche Übergabe ausspricht, dann spricht das Bände. Die Salafisten, in ihrer Mehrheit, sprechen sich sogar für Mubarak aus und ernennen ihn zum Kalifen und stellen eine Todesfatwa gegen El Baradei aus. Natürlich darf auch die größte Regionalmacht des Nahen Ostens, Saudi-Arabien, nicht vergessen werden. Wer den von der NATO erklärten Kampf gegen den Terror ernst nimmt, müsste eigentlich Riad bombardieren.

    Der Kampf gegen den Islamismus dient nur den westlichen Medien. Mit denen könnte man sich arrangieren und solange Ägypten wirtschaftlich so abhängig ist vom Westen und von Saudi-Arabien, wird es auch so kommen. Denn die Straße zur Demokratie führt auch über Riad. Dann kann man auch sehen, wie schnell Salafisten und Muslimbrüder zusammenbrechen, wenn ihnen der Geldgeber abhanden gekommen ist.

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    1. Chomsky mag brillantere Analysen geliefert haben, insgesamt geht er im Guardian aber in eine ganz ähnliche Richtung wie Du bzw. in früheren Artikeln kritisierte er den wahnwitzigen Doppelstandard des Westens in Bezug auf Islamismus einerseits und Saudi Arabien andererseits.
      Den letzten Absatz seines Artikels möchte ich jedoch am liebsten einrahmen und mir übers Bett hängen. Hervorragend auf den Punkt gebracht!

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