Gaza: Wer in dieser Zeit nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen denkt, hat es schwer.

In Gaza türmen sich Trümmer und Leichen. Die Zahl geht mittlerweile bis in Bereiche jenseits von 1200 Toten. Und Außenminister Steinmeier analysiert messerscharf:

Vor seinem Abflug, der ihn am Montag zunächst in die jordanische Hauptstadt Amman führen wird, kritisierte Steinmeier erneut scharf die Hamas: „Der Raketenbeschuss der Hamas gegen Israel hat eine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt, die kaum noch aufzuhalten scheint.“ Auf beiden Seiten lebten die Menschen seitdem in ständiger Angst vor dem nächsten Angriff.

„Die Bilder der vielen unschuldigen Opfer“, so Steinmeier, „sind schwer zu ertragen.“ Die tragische Entwicklung könne Deutschland deshalb nicht gleichgültig sein, so der Minister weiter: „Nicht nur aus Sorge um die Sicherheit Israels, sondern auch weil die möglichen Konsequenzen einer weiteren Eskalation kaum absehbar sind.“

Demnach trägt Hamas die Hauptschuld alleinige Schuld am Massaker, das die israelische Armee gegenwärtig im Gazastreifen anrichtet. Und was Steinmeier mit den „möglichen Konsequenzen einer weiteren Eskalation“ meint, wer weiß das? Tribünen für israelische Zuschauer des Massakers?

Und wenn der Deutsche Koordinationsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR)  in einer vor Selbstgerechtigkeit, Wirrheit aber auch Kaltschnäuzigkeit nur so strotzenden Presseerklärung offen die Propaganda der Regierung Netanyahu weiter betreibt und eindrucksvoll Marc Ellis‘ These vom „ökumenischen Deal“ in der christlich-jüdischen Zusammenarbeit belegt, kann man nicht einmal mehr den Kopf schütteln. Wie heißt es in anderen Zusammenhängen immer gern: „Die schlimmsten Feinde des Glaubens sind seine unbarmherzigen Verteidiger.“

Man muss kein Freund der Hamas sein – und wer ist das schon? -, um dennoch zu erkennen, dass die wieder und wieder aufgewärmte Behauptung, alles sei, vereinfacht gesagt, ruhig und friedlich im Lande Israel gewesen, bis die Hamas mit Raketen Angst und Schrecken in der israelischen Bevölkerung verbreitet hat, nicht zutrifft. Die Abriegelung des Gazastreifens, die wiederhole Heimsuchung unschuldiger Zivilisten durch israelisches Militär – sei es aus der Luft, sei es von der See her oder im Rahmen der sog. „Kriege“ in den Jahren 2008/2009 und 2012: Man muss schon mit einer Haltung ausgestattet sein, wie sie vom Koordinationsrat eingefordert wird: Eine Mischung aus gehobener Feiertagsstimmung, wenn es um den Staat Israel geht, (un)freundlischer Gleichgültigkeit, was zivile Opfer angeht, Ignoranz ob der Lage vor Ort, z.B. im Gazastreifen und, seinerseits, Geschichtsvergessenheit.

Wer Propaganda widerlegen will, lese diesen wichtigen Beitrag von Noura Erakat aus dem amerikanischen Nation-Magazin. Doch Vorsicht: Wer in dieser Zeit nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen denkt, hat es schwer.

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Ellis: In Sachen Israel-Palästina ist Obama eine „lame duck“.

Hier ein am 15.3. veröffentlichtes Video, in welchem Marc H. Ellis zu den zentralen Thesen seines Werks befragt wird.

Gegen Ende kommt er auf Obama in Israel-Palästina zusprechen. Ellis bezeichnet sich selbst als Unterstützer, aber „his performance in Israel and Palestine was pathetic.“ Besonders bedauernswert sei der Umstand, dass Obama als African-American Präsident sich so eindeutig auf die Seite der Unterdrücker und Besatzer geschlagen habe. Auch Ellis wertet Obamas Äußerungen auf seiner jüngsten Nahostreise als Beleg dafür, dass Obama in Sachen Nahostfrieden nichts Entscheidendes mehr bewegen könne bzw. wolle: Im ersten Jahr seiner zweiten Amtszeit habe er, so Ellis,  allen signalisiert: Er sei eine lame duck.

„As Jews, darkness surrounds us. We have entered an abyss.“

Lesetipp für alle, die sich dem Thema Israel-Palästina auch und gerade aus theologischer bzw. befreiungstheologischer Perspektive zuwenden wollen. Unter der Überschrift „Exile and the Prophetic“ will Marc H. Ellis auf Mondoweiss künftig regelmäßig – wenn nicht sogar täglich –  Gedanken über jüdische Identität und Prophetentum zu Papier bringen. Und das aus exilischer Perspektive. Exilisch, das scheint momentan wieder einmal im wörtlichen Sinne für Ellis zu gelten, denn:

I write from Cape Canaveral, in a small but serviceable apartment two blocks from the ocean. In some ways I am living in an idyllic setting, but the reasons for my arrival here are less than ideal. You see I have entered a new phase of a long exile after running into Ken Starr – yes that Ken Starr – who lo and behold became president of my university a couple of years ago. It’s a book length drama, perhaps even a movie but that’s for another time. Suffice it to say that all the dramatic components are present; deceit, hypocrisy, false accusations and even a paid witness or two! As I said, high drama.

Die Zeiten sind hart für eine prophetische Stimme wie die eines Marc H. Ellis. Und mehr noch: „As Jews, darkness surrounds us. We have entered an abyss.“

Deutscher Medienpreis für Mitri Raheb

Gratulation an den protestantischen Theologen Mitri Raheb, einen der wichtigsten Verfechter einer zeitgenössischen Palästinensischen Kontextuellen  Theologie. Neben drei weiteren „leisen Friedensstiftern“ ist ihm der Deutsche Medienpreis verliehen worden:

Raheb betreibt neben seiner Gemeinde ein Internationales Begegnungszentrum, ein Bildungswerk und ein Gesundheitszentrum. Er konzentriert sich seit 15 Jahren darauf, die Kultur des friedlichen Dialogs unter den Palästinensern zu fördern. „Wenn man sich selbst nicht lieben kann, kann man den Feind nicht lieben. Die meisten Deutschen wollen, dass wir den Feind lieben, ohne dass wir uns mit uns selbst beschäftigen. Ich sage, das ist genau das Falsche. Wenn man es nicht schafft, sich selbst zu lieben, kann man seine Frau nicht lieben und seine Nachbarn nicht lieben und seinen Feind nicht lieben.“

Wesentlich mehr Raum in der Meldung zur Entscheidung, Raheb zu den diesjährigen Medienpreisträgern zu machen, nimmt in Engelbrechts Webartikel die Kritik der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und des Koordinierungsrates der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit eben daran ein. So etwas nennt man Beißreflexe. „Deutscher Medienpreis für Mitri Raheb“ weiterlesen

Empfehlung: www.marchellis.com

Marc H. Ellis (Bild: wikipedia)
Marc H. Ellis (Bild: wikipedia)

Meine Verbundenheit mit Marc H. Ellis, der momentan akut um die Fortsetzung seiner Anstellung an der Baylor University, Waco, Texas, zu bangen hat, gebietet es, auf die Website www.marchellis.com hinzuweisen. Dort finden sich Informationen zur Person und zum Fall Marc H. Ellis, Stellungnahmen namhafter Unterstützerinnen und Unterstützer und vieles mehr. Zur Erinnerung: Kenn Starr, der Präsident der Uni, an der Ellis als Professor arbeitet, will diesen loswerden – aus Gründen, die man sich an fünf Fingern abzählen kann.

Marc H. Ellis, ich denke an Dich.

Marc H. Ellis braucht Unterstützung. Ken Starr, Präsident der Baylor University, Waco, Texas, USA, will ihn vom Campus entfernen. Der Vorwurf gegen Ellis lautet: Amtsmissbrauch. Offfenbar missfällt Starr die Forschung und Lehre, die am, von Ellis geleiteten, Center for Jewish and American Studies, betrieben wird. Ellis selber sieht es genauso:

Given what I currently understand of the rules of the Baylor process I will, for now, honor the process by not discussing the specifics, except to say that I believe this is a pretext to silence an independent voice at the place for which I have had deep appreciation.

Unterstützt Marc Ellis, macht mit bei dieser Online-Petition – und sagt es weiter. Vielen Dank für Ihren Hinweis, Walter Sauerland aus Iserlohn!

„Endlos ist das Ende. Das kein Ende kennt“ – Marc H. Elllis‘ Klagegesang zum jüdischen Neujahrsfest

Vor einigen Tagen übersetzte ich Marc H. Ellis‚ Offenen Brief an Präsident Obama aus Anlass seiner furchtbaren UN-Rede zum Ansinnen der Palästinenser, einen eigenen Staat auszurufen und Vollmitglied der Vereinten Nationen zu werden. Hier fand ich eine Meditation Ellis‘ zum diesjährigen Rosh Hashana – und übersetzte auch sie: „„Endlos ist das Ende. Das kein Ende kennt“ – Marc H. Elllis‘ Klagegesang zum jüdischen Neujahrsfest“ weiterlesen

Israelische Geschichtspolitik

Dem Denken eines Marc H. Ellis in diesem Punkt nicht unähnlich, erkennt Alfred Grosser, so hat er am 9.11. deutlich gemacht, im Erkennen fremden Leids – und welches Leid könnte fremder sein als das der Palästinenser, wäre man mit Blick auf hiesige Geschichts- und Erinnerungspolitik versucht zu sagen – eine der größten Herausforderungen für Juden und Christen nach Auschwitz. Schmok hat nicht unrecht, wenn er die Bedeutung des Auftritts Grossers in Frankfurt folgendermaßen einordnet:

Und wenn ich mir die Rede Grossers so ansehe, hat der Druck auf ihn sicherlich auch seine Auswirkungen hinterlassen. Ohne die Drohungen von Korn und Kramer wäre sie vielleicht doch heftiger ausgefallen. Aber Grosser hat hier ausserordentlich besonnen reagiert. „Israelische Geschichtspolitik“ weiterlesen

Lilian Rosengarten: „I want to say to the world I am a Jew and not a Zionist“

Momentan lese ich die Biographie des kürzlich verstorbenen Ghettokämpfers Marek Edelman. Wahnsinn! Eins der eindrucksvollsten und spannendsten Holocaust-Bücher, das ich je gelesen habe. Edelman war Jude, Widerstandskämpfer und Bundist, kein Zionist.

Es wäre übertrieben zu sagen, Edelman sei Antizionist gewesen, zu eng hat er als Bundist mit Zionisten im Zuge des Aufstands im Warschauer Ghetto (befinde mich momentan auf S. 260, wir schreiben ungefähr den Juni 1943) zusammengearbeitet, und einige seiner engsten Freundinnen und Freunde haben später in Israel, u.a. im Kibbuz Lochamei Hagetaot, unweit der Stadt Akko gelegen, gelebt bzw. tun dies noch immer. Ein Besuch im Museum des „Ghettokämpfer“-Kibbuz‘ lohnt sich meiner Ansicht mindestens genauso wie ein Gang durch Yad Vashem.

Über meine Lektüreerlebnisse im Hinblick auf besagte Biographie werde ich ein anderes Mal ausführlicher schreiben. Schon jetzt aber steht für mich fest: Wer die Geschichte der Shoa ausschließlich durch die zionistische Brille betrachtet, dem entgeht vieles. Ich gehe nicht soweit zu sagen, dem soll auch viel entgehen, denn jede politische Bewegung verdient ihre Bezeichnung nur, wenn sie auch vermag, Traditionen zu schaffen. Problematisch ist allein ein allzu oft abgeleiteter Absolutheitsanspruch, was die Sicht auf die (eigene?) Geschichte betrifft. Wohlgemerkt, mir geht es jetzt darum, wie europäische bzw. europäisch geprägte Juden und Jüdinnen den Massenmord aus deutscher Hand an ihrem eigenen Volk erinnern. „Lilian Rosengarten: „I want to say to the world I am a Jew and not a Zionist““ weiterlesen

„Today I am addressing the ongoing Nakba and Jewish Conscience“

Phil Weiss zeigt sich beeindruckt von Marc H. Ellis und seinem Vortrag „The Ongoing Nakba and the Jewish Conscience“, den Ellis am 27. Mai im Palestine Center in Washington D.C. gehalten hat.

Hier das Video: The Jerusalem Fund.

Ellis hat recht. Die Nakba dauert an, und sie wird weitergehen, so lange israelische Politik auf nichts Anderem beruht als der Fortsetzung der Besatzung von Gebieten jenseits der Grünen Linie und auf der Kriminalisierung der Erinnerung an die Nakba. Die Besatzung von Westbank, Gazastreifen, Golan und Ostjerusalem begann 1967. Die Nakba ist mit dem Jahr 1948 verbunden. 1967 ist ein Ausläufer der Nakba. Und sie geht weiter – mit jeder weiteren Siedlung, mit jeder weiteren Ausweisung von Palästinensern, mit jeder weiteren Häuserzerstörung. Mit jedem neuen Versuch, jenen Automatismus, der es  erlaubt, alle Kritiker israelischer Siedlungs- und Besatzungspolitik mit Antisemitenstempel zu bearbeiten. Mit jedem neuen Versuch, Israelis und Juden entsprechend automatisch gleichzusetzen.

Die Nakba wird weitergehen, so lange Herrschende und ihre Propagandaabteilungen (und damit meine ich im Besonderen auch unsere ach so kritischen Intellektuellen) nicht davon ablassen, das Leid des einen mit dem Leid des Anderen aufzurechnen. Wenn Ellis von „revolutionary forgiveness“ spricht – versteht man ihn da eigentlich?

Judith Butlers ethischer Imperativ

In einem in Ha’aretz zuerst veröffentlichten, aber von mir bei Jewdas aufgefundenen Gespräch über ihren eigenen jüdischen Hintergrund kommt Judith Butler auch auf Israel-Palästina zu sprechen:

As a Jew, I was taught that it was ethically imperative to speak up and to speak out against arbitrary state violence. That was part of what I learned when I learned about the Second World War and the concentration camps. There were those who would and could speak out against state racism and state violence, and it was imperative that we be able to speak out. Not just for Jews, but for any number of people. There was an entire idea of social justice that emerged for me from the consideration of the Nazi genocide. „Judith Butlers ethischer Imperativ“ weiterlesen

„You can’t really argue with God unless you’re intimate with God“

Hier ein Video, in welchem ein etwas zerzauster Marc H. Ellis (Dissident, jüdischer Befreiungstheologe, Prophet etc.) von seinem Bürostuhl aus Stellung nimmt zum Verhältnis von Juden und Christen. Immer wieder amüsant, wie er es versteht, mit vermeindlichen Gewissheiten, die sowohl bei Juden als auch Christen noch immer vorherrschen – besonders in gegenseitigem Bezug aufeinander.

Zu Anfang weist er darauf hin, dass Juden und Christen zum einen Gott beten, der in jener Schrift geoffenbart wurde, die dem Juden Jesus zur Verfügung stand: der Hebräischen Bibel. Interessant auch seine Worte in Bezug auf Elie Wiesel und dessen epochalem Werk Nacht, in welchem Wiesel über seine – von Ellis als solche bezeichnete – Reise durch Auschwitz erzählt. Nacht ist für Ellis ein eindrucksvolles Beispiel für jene Fähigkeit, für die Ellis, wie er sagt, der jüdischen Tradition dankbar ist: Die Fähigkeit, mit Gott zu streiten. Aber bzw. denn: „You can’t really argue with God unless you’re intimate with God“. Soviel zum alten antijudaistischen Vorurteil, dass Juden Gott sehr distanziert gegenüberstehen, während Christen ja ach so eng verbunden sein sollen mit Gott – nicht zuletzt wegen und durch Jesus.

„„You can’t really argue with God unless you’re intimate with God““ weiterlesen

Marc H. Ellis in Toronto: „The Jewish Prophetic is Alive. It Will Never Die.“

Am 14. November stellte Marc H. Ellis in Toronto sein großartiges Buch Judaism Does Not Equal Israel vor. Hier das erste von 12 Videos von besagter Veranstaltung. Die 11 weiteren können auf YouTube leicht eingesehen werden.

 

„Marc H. Ellis in Toronto: „The Jewish Prophetic is Alive. It Will Never Die.““ weiterlesen