Auf Wiedersehen, Brückenbauer!

Preisfrage: Wer sagte das folgende zu wem?

Lassen Sie sich versetzen – vielleicht in den Iran oder in die Türkei. Da können Sie für Ihre Seelenlage gute Unterstützung, geradezu Therapie finden und womöglich ein Boot, mit dem Sie Gaza befreien können.

Auch in Gaza vor Ort: Andre Marty (Bild: Dart Center)

Falsch! Richtig ist: Diese bedeutenden Worte hat der große und verdienstreiche Basler Neutestamentler Ekkehard Stegemann dem schweizer Journalisten und scheidenden Blogger Andre Marty ins virtuelle Stammbuch geschrieben. Nochmal in der Zusammenfassung: Stegemann an Marty. Eine mehr als angemessene Hommage an Marty, Kandidat für den Online-Grimme Award 2010, findet sich bei Karim El-Gawhary.
Martys Resumee am Ende von sechs Jahren Bloggerei aus dem Nahen und Mittleren Osten fällt zwiegespalten aus, u.a. schreibt er:

Es dauerte ein paar Jahre, bis klar wurde: Ein Nahost- Blog kann kaum Brücken bauen und Verständnis schaffen. Die Fronten – Sie hören auch dieses bewusst gewählte Wort – sind verhärtet. Dialog, Toleranz gehören nicht zum im Nahen Osten üblichen Sprachgebrauch. Kommentatoren, die mit dem Finger drauf halten nicht einverstanden waren, zogen sich zurück; es ist halt einfacher und weit bequemer im Chor der Wölfe mitzubrüllen.

Wie recht Marty mit dieser Einschätzung hat, das zeigt der Kommentar eines Walter Zaugg, der sich an den z.T. sehr herzlichen Abschiedsgrüßen zahlreicher Leserinnen und Leser heftigst zu stören scheint:

Völlig überzeichnete Lobeshymnen auf Herrn Marty. Traut sich hier niemand zu sagen, wie einseitig A. M. über die Jahre berichtet hat? A. M. kennt die Israelis und die Juden, Araber und Moslems offenbar nicht!
Hoffentlich nicht weiter so.

Aber – warum immer das Glas als halb-leer bezeichnen, Marty hat zum Abschluss auch gute Nachrichten:

Meine Chefetage, also öffentlich – rechtliches Fernsehen, trat dem privaten Blog anfänglich, na sagen wir mal, zurückhaltend gegenüber. Und heute? Seit kurzem bloggen Auslandskorrespondenten auch auf der Homepage meines Arbeitgebers. Na also, wer will denn da nicht von Lernfähigkeit und so parlieren?

Journalistisches Bloggen soll und kann die Welt nicht verändern. Aber ab und an mal einen kurzen Denk – Einwurf lancieren?

Ab und an die Damen und Herren Politiker, Sie zu Hause vor der Glotze, Sie im Strassenkaffee mit der Zeitung in der Hand, darauf hinweisen, dass Verdrängen keine wirkliche Strategie ist?? Dass Sie der Nahe Osten sehr wohl etwas angeht? Ja, ja, Sie in Deutschland, in der Schweiz oder in Oesterreich. Wer sagt denn, dass bloss die anonyme Kommentatorenschar des Schweizer Clubs Israel die Deutungshoheit rund um die erschreckenden Entwicklungen in der israelischen Gesellschaft haben sollte?

Wegschauen wird nicht funktionieren. Ganz sicher nicht mit Blick auf den Nahen Osten.

Na, hat der verhinderte Brückenbauer Marty  doch ein wenig was erreicht. Bevor sich Fronten verhärten konnten, fehlte es in der Öffentlichkeit offensichtlich überhaupt an der Einsicht, dass es nicht nur die eine Front gibt. Die eine Front, die eine Perspektive, die eine Meinung. Es gibt mehr als eine. Mehr als die eigene.