Piraten ohne Meinung zu Israel? Gott sei Dank.

Nachdem die Piratenpartei im Vorfeld ihres Parteitages in Neumünster ja ordentlich Backenfutter – teilweise mit Fug – kassiert hat, sind die maßgeblichen Leitmedien, soweit ich es sehen kann, am Ende dann doch besänftigt. Professioneller und gereift – dies sind die Attribute, mit denen die Partei bedacht und geschmückt wird  – die Piraten auf dem Weg nach vorn, oder doch „Verschleiß bei voller Fahrt“?

Aufhorchen lässt eine Äußerung des frischgewählten Parteichefs Bernd Schlömer, und nun wird auch der Bezug zu diesem Blog klar, der sich gegenüber SpOn nicht nur zu der auf ihn zukommenden Arbeit an der Spitze der Piraten, sondern auch zum Nahostkonflikt äußert:

Wir brauchen bis 2013 nicht zwingend eine Meinung zu Israel. Ich glaube auch, dass der Wähler dies nicht bestrafen würde.

Ich muss jetzt nicht abgefuckter sein als der Papst: Natürlich handelt es sich bei Schlömer um einen gewieften Parteistrategen. Der wird erstmal in aller Ruhe das Gelände durchkämmen – und irgendwann mal eine Entscheidung treffen. Aber: Könnten die Piraten nicht auch nach 2013 in Meinungslosigkeit verharren, was Israel angeht? Wenn ihnen dies dereinst als Meinungslosigkeit und Schwäche ausgelegt werden sollte, so reicht der Hinweis auf die Art und Weise, wie die den Meinungsmainstream repräsentierenden Parteien ihre „Meinung zu Israel“ auf den Punkt zu bringen pflegen.

Steinepitaph der Familie von-Plieningen, Georgskirche Kleinbottwar
Steinepitaph der Familie von-Plieningen, Georgskirche Kleinbottwar

Eine dezidierte Nichtmeinung zum Nahostkonflikt ist auf jeden Fall substantieller als die Bekenntnisse und Unterwerfungsgesten der seit jeher als professionell und reif durchgehenden Politkommissare. Und wohltuender als so manches neuere Gedicht, mitsamt der von ihm ausgelösten Beißreflexe.

Und noch etwas: Schlömer, der ansonsten von sich hat reden machen können, dass er seine Partei zu einer klaren Haltung gegen Rechts aufforderte, entkoppelt antifaschistisches Engagement von dem – bis dato unhinterfragten und doch zunehmend problematisch gewordenen – Bekenntnis „zu Israel“ – was auch immer damit gemeint sein mag. Wer meint, seine Israelsolidarität derartig substanzlos artikulieren zu müssen, dem sind Liebermann, Bibi und Co. bestenfalls egal.  Und überhaupt: Viel zu lange ist es hierzulande den finstersten Gestalten gelungen, zumindest bei einigen Teilen der bürgerlichen Gesellschaft auf dem Pro-Israel-Ticket offene Türen einzurennen: Man denke an PI, an die Pro-XY-Bewegungen, an Wilders und andere sog. Rechtspopulisten, die ihren Rassismus mit Israel-Fähnchen zu schmücken pflegen.

Ob Schlömers als solche zur Sprache gebrachte Meinungslosigkeit in Sachen Nahost dazu beitragen kann, vermeintliche Gleichungen und entsprechend gepflogene Vorurteile mittelfristig zur Disposition gestellt werden, bleibt abzuwarten. Immerhin scheint Schlömers (un)klare Haltung zu Israel bei den Lohnschreiber von SpOn Eindruck gemacht zu haben: Schlagzeile und Titel hat er sich zur Stunde (23.09 Uhr) sichern können.

4 Gedanken zu “Piraten ohne Meinung zu Israel? Gott sei Dank.

  1. sollte jemand von den piraten, und sei es jemand aus der 3. oder 4. reihe, etwas differenziertes zu israel/palästina (= die palästinenser auch als menschliche wesen und ihre anliegen als legitim ansehen, und nicht nur die mossab hassan yousefs) sagen wird, steht in deutschland ein heer aus kommentatoren, bloggern, politikern, religiösen funktionären, diplomaten, etc. bereit, ihn/sie und die partei sogleich zu verdammen, diese äusserung mit den rechten „erscheinungen“ in der partei in zhg zu bringen, von einer „antisemitischen dämonisierung“ israels zu schreiben usw.

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    1. Man kann also von strategischer und auch sonst vorhandener Klugheit beim neuen Kopf der Piraten sprechen. Ob ich sie wählen würde, steht natürlich auf einem anderen Blatt.

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  2. Eine dezidierte Nichtmeinung zu Israel kann in der Tat substanzieller sein als so manche Meinung dazu. Bei kaum einem anderen Thema sind so viele Verrückte unterwegs wie bei allem, was mit Israel/Palästina zusammenhängt. Von PI bis Muslimmarkt ist da alles vertreten, was Rang und Namen hat.

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