„These guys are out of control“

Wie eng verknüpft die israelische Besetzung palästinensischer Ländereien mit dem Siedlungsprojekt ist, zeigt sich in einem interessanten Ha’aretz-Artikel. Warum militärische Präsenz etwa in der Westbank? Antwort:

„Our purpose there is to protect the Jews.“ Sagt der  IDF-Reservist Nadav Bigelman aus Haifa, heute aktiv für Breaking the Silence. Genauer:

„These guys [the settlers] are out of control. I guard them, I’m responsible for protecting them and I know one day they’ll sabotage my car. That’s what is going on here“.

„These guys“ – Extremisten und Gewalttäter, die sich des Schutzes der israelischen Armee offenbar so sicher sein dürfen, dass sie nicht nur Palästinenser heimsuchen, sondern auch und gerade Soldaten ihrer eigenen Schutztruppe schikanieren. Nur, was können Soldaten dagegen tun? Nicht viel, zumal besagte Soldaten selber offenbar erst noch begreifen müssen, was sie beispielsweise an den Checkpoints zu machen haben. So können es diese bedauernswerten Angehörigen der „most moral army“ (Bernard Henri Levy)  mit ihren „dreamy eyes“(E. Wiesel) gar nicht fassen, wie Siedler je auf den Gedanken kommen konnten, auf besetztem Gebiet irgendwie priviligiert zu sein. Ein  junger Soldat meint:

 „the clashes with [settlers] are mainly at the checkpoints. They come to the checkpoints a lot and it’s beneath their dignity to wait like others, so they break through and drive on. Not many harass us, but when the moment comes to inspect them, they humiliate us. They don’t understand we’re doing security work. They’re not all like that, but the clashes with Jews at checkpoints are much worse than they are with Palestinians.“

 Tja, läuft ja ansonsten alles prima für Siedler: Fürs Terrorisieren von Palästinensern gibtt’s von Papa Staat manchmal, wenn es diesem zu bunt wird, eine eindringliche Ermahnung, Araber werden sowieso nicht als Menschen wahrgenommen, und all die Vergünstigungen und all die Zufahrtsstraßen zu und zwischen den Kolonien, die sog. „bypass-roads“ – da wird der Akt des Wartens zu einer als völlig fremd wahrgenommenen Handlung.

Fakt ist: Es brodelt innerhalb der jüdisch-israelischen Gesellschaft. Allzu augenfällig nimmt sich die Art und Weise aus, wie das politische System seit 1967 den Typus des schwer bewaffneten und gleichzeitig megafrommen Siedlers, der die heiligen Schriften seiner eigenen Glaubenstradition als Grundbuch und Atlas missbraucht, zum Real-, wenn nicht Ideal-Israeli hat aufsteigen lassen. Man denke in diesem Zusammenhang nur an Außenminister Avigdor Liebermann, seines Zeichens stolzer Siedler und Pseudo-Faschist. Derartig gepampert, muss man es als beinah menschlich verständlich verstehen, wenn diese Typen an einen ihnen ziemlich kuschelbärig zugetanen, exklusiven Sicherheitsdienst denken, wenn sie IDF hören. Die israelische Armee, „ein Ochse am Nasenring der Siedler“

Und wer diesem Typus nicht entspricht, tut im Großen und Ganzen klaglos seinen Armeedienst – und wundert sich umso mehr, warum ihm diese Wutbürger mit Knarre so unsympathisch sind. So etwas wusste man vorher offenbar nicht.

5 Gedanken zu “„These guys are out of control“

  1. Was du unterschlägst: 30% des Militärs kommt inzwischen aus den Siedlungen. Steigend. Siedlerkinder sind gehen verstärkt zum Militär und bleiben dort als Berufssoldaten. Du stellst das Militär als Opfer der Siedler dar. Das ist es ja gerade nicht. Viele der Soldaten denken einfach exakt das gleiche und verhalten sich exakt gleich wie die faschistoiden Siedler. Eben weil sie selber diese Siedler sind!

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  2. Die Siedler – gemeint sind die Überzeugten, nicht die, die aus Kosten- oder anderen pragmatischen Gründen diesen Irrsinn unterstützen – machen aus ihrer Sicht das, was Lloyd Blankfein und seien Bankermischpoke machen: Sie tun das Werk Gottes.

    Hört sich nur bei uns zynisch an, ist es aber keinesfalls aus deren Sicht.

    PS: Der Aspekt von Schmok ist völlig zutreffend. Die IDF wird gewissermaßen unterwandert. Man überlege die Perspektive: Wer überhaupt könnte sich künftig gegen die immer zunehmende Radikalisierung der Siedler wehren? Kurze Antwort: niemand.

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  3. Unlängst erschien ein Buch von Jeremy Rifkins, in der er die These vertritt die Menschheit werde immer zivilisierter und käme mit immer weniger Gewalt aus – gerade auch im 20. Jahrhundert! -.

    Auf dradio liest man gerade:
    „Steven Pinker nimmt das Böse in der Welt nicht als naturgegeben hin. Auf über 1000 Seiten verknüpft er neueste wissenschaftliche Erkenntnisse mit historischen Fakten und gelangt zu einem ermutigenden Schluss: Die Menschen sehen Gewalt offenbar immer weniger als Option.“
    http://wissen.dradio.de/gewalt-der-rueckzug-des-boesen-aus-der-welt.35.de.html?dram:article_id=14049

    Rührend zu sehen, wie sich behütete Wissenschaftler und weltfremde Publizisten an ihren Gedankenspielen erwärmen, in denen denen 50 Millionen WKII Kriegstote als Beweis für mehr Zivilisierung herhalten müssen, nur weil ein Statistik eine günstigere kill-ratio ausweist. Ist wie fucking for virginity.

    So bestimmt auch in Nahen Osten…

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