Wo sich John Kerry seinen Friedensprozess hinstecken kann

Der arme, bedauernswerte John Kerry. Mittlerweile wird er den Nahen und Mittleren Osten besser kennen als sein Büro daheim im Washingtoner Außenministerium. Sechsmal schon pendelte er in Sachen Wiederauffrischung des Nahostfriedensprozesses in die Region. Seine Mission: Die USA als wichtigsten Makler zwischen Israelis und Palästinensern neu etablieren. Die Früchte der bisherigen Bemühungen, die jener Mensch, der anno 2004 doch tatsächlich das US-Präsidentschaftsrennen gegen George W. „Bretzel“ Bush verlor,  sind kaum der Rede wert. Besonders die palästinensische Seite, so scheint es endlich, hat keine Lust mehr, bei diesem Schmierentheater mitzumischen. M.J. Rosenberg formuliert bedächtig, differenziert und vor allem sensibel: 

Palestinian Authority Tells Kerry To Take His Plan And Shove It.

In  deutschsprachigen Medien dagegen wird kaum mit deutlichen Worten gegeizt:

Israel [sic!]: Palästinenserführung unzufrieden mit Kerry-Plan (Die Presse)

Palästinenserführung verlangt Änderungen an Kerry-Plan für Verhandlungen (Die Zeit)

Kerry gelingt noch kein Durchbruch zu neuen Verhandlungen (stern)

Wo ist der Presserat, möchte man fragen.

Aber, John Kerry: Was ist da los? Warum gelingt Ihnen kein Durchbruch? Haben Sie nicht alles in die Wagschale geworfen?  M.J. Rosenberg erklärt:

Under Kerry’s (i.e,Netanyahu’s) plan, Israelis and Palestinians would have to negotiate the status of the West Bank while Israel continued to devour that same land with new settlements. There would be no “settlement” freeze. Not for a day.

Palestinians would have to be nuts to accept those terms. It’s as if a buyer and a seller were negotiating over the terms of a sale. But the buyer insisted on moving in while they were bargaining, knowing that once he is in, it is his house.

That is the Israeli game. Take the property, steal the water and then say “let’s talk.” The U.S. role is, of course, to drive the buyer’s moving van, unpack his furniture, and make sure the seller and his family is gone.

Und daher:

As they say in Hebrew, kol ha kvod (all praise) to the PA for telling Kerry to shove it. Nothing will more advance peace and security for both nations, Israel and Palestine, than burying this peace process once and for all.

So lesen sich wohlgesetzte und entsprechend temperierte Worte, die einem Staatsmann anstünden, sie auszusprechen. Danke, M.J. Rosenberg. Wie einseitig, unfair, ja extremistisch im hiesigen Nahostdiskurs zuweilen verbal um sich geschlagen wird, bewies heute morgen Dieter Graumann, seines Zeichens Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. In Sachen Siedlungspolitik machte er in einem Interview, das er dem Duetschlandfunk nicht vorenthielt, aus seinem Herzen keine Mördergrube:

Es gibt ganz viele umstrittene Gebiete auf der Welt. Schauen Sie China an: Der Dalai Lama, den wir alle so achten, der würde sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, dass Tibet als Teil von China angesehen wird, und doch kommt keiner auf die Idee, die Produkte aus Tibet besonders zu labeln, zu kennzeichnen. Aber das Problem ist nur: Es gibt siebeneinhalb Millionen Israelis und 1,3 Milliarden Chinesen. Zahl macht Moral, überzeugen kann das mich ganz bestimmt nicht. […] Mehr als 25.000 Palästinenser sind bei solchen Firmen angestellt und finden dort Lohn und Arbeit und Brot. Sie bekommen dort Jobs, die sie woanders nicht bekommen würden. Sie verdienen doppelt so viel wie woanders. Sie kommen in den Genuss von Sozialleistungen, von denen sie ansonsten nur träumen könnten. Ich glaube, das sollte man auch bedenken.

Gut, dass der Moderator der „Informationen am Morgen“, Peter Kapern, darauf mit de passenden Antwort aufwartete:

Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Graumann, danke für das Gespräch, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.

Auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch nach Ramallah!

Update: Vergesst, was ich gesagt habe.

3 Gedanken zu “Wo sich John Kerry seinen Friedensprozess hinstecken kann

  1. Rashid Khalidi, der den Edward-Said-Lehrstuhl an der Columbia innehat, sagt kurz und bündig über die Mär vom „ehrlichen Makler USA“:

    Israelis know it. Palestinians know it. The whole world knows it. The absence of any American sense of fair play where Palestinian-Israeli issues are concerned is no secret.
    (http://nyti.ms/T2jei7)

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