Iris Hefets, Religionskritikerin

Geert Wilders hat mit seiner antiislamischen Hetze bei seinen Wählern großen Erfolg. Anklang findet er bis in die bürgerliche Mitte, dort wo es einen entsprechenden Extremismus eben auch zu geben scheint: Einen, der vorgibt, zivilisatorische Mindeststandards zu verteidigen gegen Barbaren. Zu den Vorbildern Wilders‘ gehört nach dessen eigener Aussage u.a. Ariel Sharon.  Auf der einen Seite Israel, das noch immer in den sogenannten aufgeklärten Kreisen einen Ruf wie Donnerhall genießt, auf der anderen Seite ein Ressentiment, das sich als Religionskritik ausgibt, und das in den entsprechenden Milieus nach wie vor goutiert wird. Konnte man sich vor Jahren mit einigen Kalendersprüchen aus der Firma Marx, Feuerbach und Co. noch selbst über seine eigene Oberflächlichkeit und Horizontlosigkeit hinwegtäuschen, bemüht man heutzutage gar die gesamte Aufklärung, die den Anfang neuzeitlicher Religionskritik markiert, um die je eigene Fremdenfeindlichkeit in liberalen Zwirn zu kleiden.

Dumm nur, wenn das Bedürfnis jedes Menschen nach Transzendenz und Tiefgang seine ganz eigenen Wege geht. Dann bricht sich an Stellen, wo doch eigentlich im besonderen Sinne von Verantwortung und einem entsprechenden Handeln die Rede sein sollte, der Wunsch nach Sakralität und Sündenvergebung Bahn, dass es für Religionskritiker eine wahre Freude sein sollte.

Doch weit gefehlt.  Marx, Feuerbach, Freud und Voltaire, ja nicht einmal Dawkins treten auf den Plan, noch werden sie zitiert. Stattdessen sind es Namen wie Marc H. Ellis, Noam Chomsky, Norman Finkelstein, Hajo Meyer oder Ilan Pappe, die das Amt der Religionskritiker übernehmen. Welche Religion gemeint ist? Iris Hefets sagt’s uns:

Bei diesem Schoah-Kult handelt es sich, so muss man wohl sagen, um eine Art Religion mit festen Ritualen. Dazu gehört – ungeachtet aller heutigen Realitäten – die feste Überzeugung, die Deutschen seien die ewigen Täter und die Israelis die ewigen Opfer, weshalb die Gesetze und Regeln demokratischer Staaten für Letztere nicht zu gelten hätten: ein Sonderfall halt.

Diese Religion erfreut sich nicht nur in Israel großer Beliebtheit. Auch vielen Deutschen kommt eine solche Mystifizierung von Auschwitz gelegen. Denn wenn Auschwitz eine heilige Aura umgibt, dann muss man sich nicht mehr mit dem eigenen Potenzial zur Täterschaft auseinandersetzen. Wenn der Holocaust so heilig ist, dann darf man nur auf Zehenspitzen gehen.

Nicht wenige Deutsche haben damit ein prima Arrangement mit der Vergangenheit getroffen. Sie erklären das Verbrechen ihrer Vorfahren als so schlimm, dass es zu etwas quasi Mystischem geworden ist. Das Thema ist damit aus dem Diesseits und dem Feld der Politik in die Sphäre des Sakralen entrückt. Solange man die Rituale dieser Religion befolgt, braucht man sich nichts vorwerfen zu lassen und kann sich sogar, wie Angela Merkel in der Affäre um die Piusbruderschaft gezeigt hat, päpstlicher als der Papst verhalten. Kein Wunder, dass man in Deutschland zuweilen viel engagiertere Verfechter der israelischen Politik antrifft als in Israel selbst.

Und  umgekehrt kein Wunder, dass weiland Jürgen W. Möllemann so vielen Deutschen aus der Seele zu sprechen schien, als er mehr als nur indirekt Juden als Schuldige für einen gegen sie gerichteten Antisemitismus zu bezeichnen sich nicht entblödete. Als Tabubrecher und Kritiker der Shoa-Religion hatte er sicher auch Kopfnicker mit antireligiösen Reflexen und Zwangsneurosen auf seiner Seite. Der hierzulande praktizierte Antiantisemitismus ist sicherlich nicht zuletzt deshalb so umstritten und anfechtbar, weil er sich allzu willfährig in den Dienst eines Staates stellt, der für die am längsten andauernde militärische Besatzung in der jüngeren Geschichte verantwortlich ist, diese Solidarität mit dem Hinweis auf die Shoa verbindet und beide Komplexe mit einem gerüttelt Maß an Pseudoreligiösität verbindet, vermischt und zum Ausdruck bringt.

Sympathisch, dass Iris Hefets nicht so sehr auf die vermeintliche Notwendigkeit pocht, es müsse „in Deutschland heutzutage möglich sein, Israel zu kritisieren, ohne gleich in die rechte Ecke gestellt zu werden“, sondern auf das Demokratieverständnis einer Rosa Luxemburg verweist. Was in der Kommentarspalte unterhalb des Artikels sich entfaltet, dafür mag ich keine Worte finden…

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