Netanyahu will Krieg – und redet von Auschwitz

Benyamin Netanyahu mit Briefen, die der Jüdische Weltkongress 1944 an das amerikanische War Department gerichtet hatte (Foto: (Photo: Cliff Owen/AP)
Benyamin Netanyahu mit Briefen, die der Jüdische Weltkongress 1944 an das amerikanische War Department gerichtet hatte (Foto: (Photo: Cliff Owen/AP)

Wieder einmal beehrt Israels Premierminister Netanyahu die Vereinigten Staaten. Wie immer heimst er Lobhudeleien für und für ein. Präsident Obama wird nicht müde, die besondere, die ewige, die untrennbare Freundschaft zwischen beiden Staaten zu betonen. Überall wo Bibi seinen Fuß hinsetzt, springen die Menschen auf und lassen sich zu spontanen standing ovations hinreißen. Heimspiele, Heimsiege allerorten. Doch so ganz zufrieden mag der Gehudelte nicht aus der feinen Wäsche blicken. Barack Obama, die Redemaschine, will und will nicht einsehen, dass man mit dem Iran in Sachen Atomwaffen nicht anders umgehen kann als mit kriegerischen Mitteln. Der US-Präsident setzt weiterhin auch auf das diplomatische Pferd und auf Sanktionen. Bibi ist besorgt – in den Worten Richard Silversteins:

Bibi will likely leave town believing that if he jumped off a cliff, Obama wasn’t going with him.

Insgesamt scheint letztlich doch nicht so klar zu sein, wie sich die USA in dem Fall verhalten würden, in welchem Israel das, von Netanyahu in diesen Tagen oft beschworene Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen und den Iran militärisch attackieren würde. Ist es da so verwunderlich, dass Netanyahu bei seiner Rede vor Amerikas größter Israel-Lobby, AIPAC, mit historischen Holzhammervergleichen der besonderen Art aufwartete? Netanyahu erinnerte seine Zuhörer daran, dass es die USA einst auch abgelehnt hätten, Auschwitz zu bombardieren. Iran ist Hitler-Deutschand. Und Ahmadinejad ist Hitler. Der renommierte israelische Historiker Yehuda Bauer kann da nur mit dem Kopf schütteln:

Völliger Unsinn, totaler Unsinn. Man kann solche Analogien überhaupt nicht ziehen, das ist völlig falsch. Es ist richtig natürlich, dass wir heute einen Staat haben, der sich verteidigen kann, der sich nicht nur verteidigen kann, sondern verteidigen soll und muss, wenn es notwendig ist. Aber dieser Vergleich ist vollkommen falsch. Nicht jeder ist ein Hitler und Ahmadinedschad einen Hitler zu nennen, ist ahistorisch und das kann nur jemand sagen, der davon überhaupt nichts versteht.

Man könnte über all das schallend lachen, wäre es nicht so dermaßen ekelerregend. In Israel herrschen reale Ängste, und mir liegt nichts ferner als das Regime in Teheran in irgendeiner Form in Schutz zu nehmen. Typen wie Netanyahu und Barak bedienen sich dieser Ängste und zetteln möglicherweise den großen Knall in Nahost an. Es kann einem angst und bange werden.

Und alles nur, weil die israelische Regierung davon ablenken will, dass der jüdische Siedlungsbau auf palästinensischem Land unvermindert weitergehen soll?

Update:

Ha’aretz-Kommentator Carlo Strenger kritisiert Netanyahu für dessen historische Vergleiche. Kaum zu verstehen sei das Verhalten des Premiers und von Verteidigungsminister Barak, die immer stärker auf einen militärischen Schlag gegen den Iran insistieren,  obwohl eine ganze Armada an Experten, die allesamt demselben Establishment wie Bibi und Barak entstammen, auf Alternativen drängen.

Auch Strenger scheint den Gedanken, dass all das Säbelrasseln in Richtung Iran, verbunden mit finsteren historischen Vergleichen, allenfalls zur Ablenkung von gegenwärtigen harten Realitäten dienen soll, nicht gänzlich von der Hand weisen zu wollen:

This visit to the U.S. was the first in a long time in which the Palestinian issue was completely off the table. Nobody even raised the question of settlement construction or the old question how to bring Israel and the Palestinians back to the negotiation table. Instead of being on the defensive on the Palestinian issue, Netanyahu is now on the offensive on Iran.

 

7 Gedanken zu “Netanyahu will Krieg – und redet von Auschwitz

  1. stimmt, denn eigentlich können sich die USA nicht noch ein weiteres orientalisches kriegsabenteuer leisten. nicht zuletzt, weil die bevölkerung einfach genug haben dürfte.

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  2. Vermutlich ist das, was jetzt in Syrien läuft schon der Auftakt für diesen Krieg. „Freier Luftraum “ für Bomber, der bösen Hizbollah die Waffenzufur dichtmachen, wer weiss, was dahintersteckt. Auf jeden Fall mehr, als „Der Diktator schiesst auf seine eigenes Volk“.
    Dort reichen sich jetzt Agenten aller HErren und dAmen Länder die Hand um das Ganze in ihrem SInne zu beeinflussen.

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  3. im iran herrschen auch reale ängste. das worauf israel drängt, ist schliesslich nichts anderes ein krieg gegen sie (von dem man hinterher sagen kann, man habe nur „auschwitz“ bombardiert). und wenns nicht darauf hinausläuft, dann auf ein embargoszenario, das dem irakischen („oil for food“) ähnelt. oder ein marionettenregime anstelle der mullahs

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